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eRezept – Meilenstein für die Arzneimitteltherapiesicherheit

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

immer, wenn ich denke, alles schon mal gehört zu haben, holt mich das Leben wieder ein. Dieses Mal in einem Ausmaß, das mich kopfschüttelnd verharren lässt. Da hieß es in einem Mitglieder-Rundschreiben der Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KV-BaWü): „Wir lehnen die ePA in ihrer jetzt vorliegenden Form strikt ab.“ Als inhaltlicher Grund wird angeführt: „Das Recht des Patienten, selektiv Daten zu streichen, macht sie als Instrument der Information in der Patientenbetreuung zweifelhaft und erhöht Risiken für Arzt und Patient.“

… Das muss man erst einmal sacken lassen!

Diesen Ausführungen widerspreche ich mit Vehemenz als Arzt, Patient und Bürger! Offenbar geht es diesem KV-Vorstand nur um Diskreditierung der ePA – koste es, was es wolle. Ja, es ist richtig: der Patient entscheidet über die Inhalte der ePA. Das geschieht auf Basis abgeschlossener Dokumente, also keineswegs ‚selektiv‘. Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Eckpfeiler unserer gesellschaftlichen Grundordnung und unterscheidet uns von Diktaturen, in denen Menschen gezwungen werden, Informationen über sich preiszugeben. Die Wahrnehmung dieses Grundrechtes ist kein Risiko für Arzt oder Patient, sondern Spiegel unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung, die zum Glück auch in BaWü gilt. Wenn heute ein Patient entscheidet, einen Teil seiner medizinischen Historie dem Arzt vorzuenthalten, haben wir das zu akzeptieren. Daran darf auch die Einführung der ePA NICHTS ändern.

Die ePA ist aus gutem Grund nicht als Zwangsmaßnahme konzipiert. Sie ist ein freiwilliges Instrument, mit dessen Hilfe Patienten relevante Informationen zu Krankheits- und Behandlungsgeschichte digital bündeln und an behandelnde Ärzte weitergeben können. Auf diese Möglichkeit warten Tausende von Patienten, die auch in BaWü viel zu häufig die Erfahrung machen mussten, dass wichtige Unterlagen nicht vorhanden waren, wenn sie benötigt wurden, oder gar verloren gingen. Aus diesem Grund werden viele Patienten wie auch die Finanzen unseres Gesundheitssystems täglich mit zahllosen Doppeluntersuchungen belastet. Und medizinisch relevante Entscheidungen müssen viel zu häufig auf Basis unvollständiger Daten gefällt werden. DAS erhöht – in erheblichem Ausmaß – die Risiken für Patienten, und das ist der eigentliche Skandal!

Die überwältigende Mehrzahl der Patienten will Nichts vorenthalten. Patienten haben in der Regel ein (vitales!) Interesse, alle relevanten Informationen (Befunde, Arztbriefe, Labor etc.) dem behandelnden Arzt zur Verfügung zu stellen. Damit bedienen sie den ureigensten Nutzen: die eigene Genesung!

Liebe KV BaWü, Sie repräsentieren die Ärzteschaft in einem großen, erfolgreichen Bundesland. Natürlich wird auch die ePA bei Einführung nicht perfekt sein. Um zu erkennen, was fehlt, was prioritär verbessert werden muss, sollten wir sie unseren Patienten nicht länger vorenthalten und sie endlich nutzen. Im Interesse einer besseren Gesundheitsversorgung auf Basis einer besseren Datenlage haben wir alle die Pflicht, der ePA zum Erfolg zu verhelfen.

Ihr Jörg F. Debatin

Zahl des Tages

32.000.000
digitale Impfzertifikate sind seit Mitte Juni in Deutschland ausgestellt worden. Inwiefern es sich um vollständig Geimpfte (28,9 Millionen) oder Erst-Impflinge handelt, ist offen.

hih-Termine

8. Juli  – 5. August Newsletter-Sommerpause


Mittwoch, 4. August 2021, 14.00 – 16.00 Uhr
KHZG – deep dive – Reifegradmessung der deutschen Krankenhäuser

Wir freuen uns, Sie über das letzte Puzzleteil zum KhZG informieren zu dürfen. Das Gewinner-Konsortium wird ebenso anwesend sein wie die Verantwortlichen des Bundesgesundheitsministeriums und Praktiker:innen, die über das praktische Prozedere der Analyse berichten können. Um Anmeldung wird gebeten. Hier finden Sie die Aufzeichnungen der bereits gesendeten Webinare.


Futurium I Dienstag, 25. August 2021, 9.00 – 18.00 Uhr
Gesundheit_digital – Meilensteine für eine digitale Medizin

DVG, KHZG, Interoperabilität, ePA, eRezept, Forschungsdaten etc.: Schlagwörter, die die Legislaturperiode prägten und auch die Arbeit des health innovation hubs inhaltlich mitbestimmten. Grund genug, einmal den Realitätscheck zu machen, was davon in der Krankenversorgung bzw. bei den Patient:innen angekommen ist. Wir diskutieren mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Verantwortlichen des BMG, Patient:innen und Behandler:innen darüber, wo wir stehen auf dem Weg zu einem digitalen Gesundheitswesen. Im Livestream und Corona-bedingt auf Einladung.


Mittwoch, 29. September 2021, 16.00 – 19.00 Uhr
KIM – Sichere Emails für Ärzt:innen, Part 2

KIM – Der Kommunikationsdienst im Medizinwesen ermöglicht endlich den sicheren Austausch medizinischer Dokumente wie Befunde und Arztbriefe über die Telematikinfrastruktur. Gemeinsam mit dem Deutschen Ärzteblatt zeigen wir „Hands On“ was in der Arztpraxis getan werden muss, um KIM einsetzen zu können und stellen die bis dahin zertifizierten Anbieter vor.


Unsere Veranstaltungen sind kostenfrei, in der Regel ohne Anmeldung und für jedermann – Sie müssen nur zu gegebener Zeit auf unserer Startseite auf den Livestream-Link gehen.

Alle hih-Veranstaltungen

Digitale Tools

Start des EU-Covid-Zertifikats

Heute wird das digitale Covid-Zertifikat der EU – vergleichsweise unspektakulär – offiziell eingeführt. Ersetzt das Covid-Zertifikat den gelben Impfpass?

Nein. Auch künftig können Urlauber mit ihrem gelben Impfpass auf Reisen gehen, im Inland wie im Ausland. Das Covid-Zertifikat soll aber einen EU-weit einheitlichen Standard setzen und damit Nachweise und Kontrollen im Zusammenhang mit Corona erleichtern. Außerdem kann es aufs Smartphone geladen werden und ist damit im Alltag praktischer als das gelbe Heftchen aus Papier. Auch für Testergebnisse und Genesungsnachweise können Covid-Zertifikate ausgestellt werden. Aktuell geht das in Deutschland noch nicht, soll aber in den kommenden Wochen möglich gemacht werden.

 

Das E-Rezept kommt und ist kaum bekannt

Ein weiterer Meilenstein in der Digitalisierung des Gesundheitswesens kommt: die Medikamentenversorgung. Zum heutigen 1. Juli startet (eigentlich) das Elektronische Rezept mit einer Testphase in der Region Berlin-Brandenburg und soll für Praxen, Patient:innen und Apotheken zum wichtigten Arbeitsmittel werden. Vereinfacht werden sollen die Abläufe in den Praxen und Apotheken.

Nutzt die/der Patient/in die Videosprechstunde, muss für das Rezept keine Praxis aufgesucht werden. Das E-Rezept ersetzt das rosa Papierrezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Vorgang ist einfach und transparent: Die Ärzt:innen legen das Rezept auf einem zentralen Server ab, die Patient:innen bekommen einen Zugangsschlüssel (Token) und erlauben mittels Smartphones und der bundesweit einheitlichen App ihrer Wahl-Apotheke den Zugriff auf das Rezept. Die bundeseinheitliche App wurde von der gematik entwickelt. Bundesweit wird das E-Rezept am 1. Januar 2022 zur Pflichtanwendung für alle Ärzt:innen, Zahnärzt:innen, Kliniken, Apotheken und Patient:innen.

Mehr Sicherheit und Komfort

Der Markt für die neue Anwendung ist groß. Jährlich gibt es rund 700 Millionen Verordnungen. Das E-Rezept soll unvollständige, fehlerhafte oder gefälschte Verordnungen vermeiden, Pflichtfelder sollen verhindern, dass wichtige Daten fehlen. Das E-Rezept bringt Ärzt:innen, Patient:innen und Apotheken zusammen und ermöglicht weitere digitale Anwendungen von der Medikationserinnerung bis hin zum Medikationsplan mit eingebautem Wechselwirkungscheck und schafft so eine lückenlose Medikamentendokumentation und damit mehr Sicherheit für alle Akteure. So lässt sich u.a. besser überprüfen, ob Arzneimittel untereinander verträglich sind.

Fehlmedikationen führen allein zu 30.000 Todesfällen im Jahr, mehr als im Straßenverkehr. Mehr als 1,6 Millionen Menschen müssen wegen der Nebenwirkungen oder Kontraindikationen behandelt werden. Zehn Prozent der Krankenhauseinweisungen sind auf Fehlmedikationen zurückzuführen. Elektronische und digitalisierte Medikation kann die Arzneimitteltherapiesicherheit erheblich verbessern, wenn auf das E-Rezept der elektronische Medikationsplan folgt.

Künftig sollen neben verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch andere Leistungen elektronisch verordnet werden können. Patient:innen sparen sich unnötige Wege und können jederzeit mit Hilfe der App einsehen, ob ein Medikament vorrätig ist und wann sie ihr Medikament in der Apotheke ihrer Wahl abholen können. Auch die Zustellung nach Hause wird schneller möglich sein.

Zu Beginn wird die Gematik-App wahrscheinlich für die Bevölkerung kaum nutzbar sein, da vorab eine Authentifizierung über eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit NFC-Funktion erforderlich ist. Deren Freischaltung muss bei der Krankenversicherung beantragt werden. Die große Mehrheit wird sich daher ihre E-Rezepte ausdrucken, den Ausdruck-Token über Drittanbieter-Apps einscannen und weiterversenden. Das dürfte in der Anfangsphase vor allem den Versandapotheken zugute kommen. 

E-Rezept in der Bevölkerung kaum bekannt

Eine Kantar-Befragung im Auftrag der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zeigt enormen Aufholbedarf bei der Aufklärung der Bürger:innen. Fast zwei Drittel (63%) der Bürger:innen haben noch nichts vom E-Rezept gehört. Nahezu alle (95%) wissen nicht, wann es eingeführt wird. Auf die Apotheken kommt viel Arbeit zu. Für die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ist das E-Rezept dennoch „ein Meilenstein in der überfälligen Digitalisierung des Gesundheitswesens.“ Die rund 19.000 Apotheken seien „E-Rezept-ready“. Neun von zehn Apotheken sind inzwischen über Konnektoren an die Telematikinfrastruktur angebunden, die übrigen sollen in den nächsten Wochen dazu kommen. Jede Apotheke wird zur Online-Apotheke.

Leider gibt es bislang jedoch, laut gematik, nur „Simulationen verschiedener Testszenarien bei ausgewählten Partnern, die in den kommenden Wochen das Ziel haben, das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme unter realen Bedingungen zu untersuchen beziehungsweise zu erproben.“

@Patienten

„Alles muss auf den Prüfstand“

Prof. Dr. Andrew Ullmann ist Obmann im Gesundheitsausschuss für die Bundestagsfraktion der FDP. Im Interview mit dem hih fordert der Facharzt für Innere Medizin und Universitätsprofessor eine Krankenhausstrukturreform und sieht in der Digitalisierung der Medizin ein Instrument zur besseren Versorgung in ländlichen Regionen und in der Präzisionsmedizin die Zukunft.

In der vergangenen Legislaturperiode wurden die regulatorischen Grundlagen für die Digitalisierung der Medizin in Deutschland gelegt. Wie schätzen Sie deren Potenzial für die Gesundheitsversorgung in Deutschland ein?

Wir müssen über die Voraussetzungen eines digitalen Gesundheitswesens reden wie schnelles Internet und funktionierenden Datenschutz. Ich sehe vor allem zwei Vorteile. Erstens könnten wir etliche doppelte Prozesse vermeiden, wodurch wir Zeit und Untersuchungskapazitäten sparen und somit die die Arbeitseffektivität erhöhen. Zweitens stärken Datenspenden im Rahmen eines sich ständig verbessernden Datenschutzes den Forschungs- und Versorgungsstandort.

Die Verfügbarkeit medizinischer Daten, insbesondere im zeitlichen Verlauf, ist für die Weiterentwicklung der Medizin von herausragender Bedeutung. Wie wollen Sie die Verfügbarkeit derartiger Daten für die Forschung verbessern? Welche Rolle soll der einzelne Bürger dabei einnehmen?

Nehmen Sie das Beispiel des Tumorregisters. Die Freiwilligkeit der zur Verfügung gestellten Daten liegt hier bei den Patient:innen bei mehr als 95 Prozent. Die Bereitschaft der Patient:innen, Daten zu teilen, betrifft auch viele andere Bereiche. Allerdings müsste die Anonymisierung der Daten gewährleistet sein und die Patient:innen müssen selbst bestimmen, welche Daten zur Verfügung gestellt werden. Warum lassen wir nur Universitäten und Institute forschen und nicht auch die Privatwirtschaft?

Zentrale Rolle der gematik ist es, Standards für den Einsatz digitaler Technologien zu definieren. Zunehmend übernimmt die gematik auch Umsetzungsaufgaben wie Entwicklung und Vertrieb von Apps. Wie operativ soll sich die gematik als staatliches Unternehmen zukünftig am Markt positionieren?

Die Kernaufgabe der gematik ist die Herstellung einer sicheren Infrastruktur für Ärzte, Apotheken und Patienten. Dazu gehört auch die Interoperabilität der Schnittstellen. Man muss jedoch darauf achten, dass die gematik nicht zu viele Aufgaben übernimmt, die auch und teils besser von privaten Anbietern getragen werden können.

Die Defizite der bestehenden DRG-basierten Krankenhausfinanzierung sind offenkundig. Wie sieht eine bessere Alternative aus und welche Rolle werden dabei Patienten-Outcomes spielen?

Die Finanzierung der Krankenhäuser basiert auf einer dualen Finanzierung. Die Länder haben sich in den letzten Jahrzehnten unzureichend an den Investitionskosten beteiligt.

Lesen Sie hier das vollständige Interview.

 

Leopoldina Diskussionspapier zur digitalen Pandemiebekämpfung

Digitale Werkzeuge sind zu einem wichtigen Baustein für die Eindämmung der Coronavirus-Pandemie geworden. Wie sich die Wirksamkeit solcher digitalen Werkzeuge bei der Kontaktnachverfolgung verbessern lässt, beschreibt ein Diskussionspapier, das jetzt von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina veröffentlicht wurde. Die Autor:innen, zu denen auch hih-Datenexperte Lars Roemheld gehört, sehen Bedarf für eine kontinuierliche, nachhaltige und abgestimmte staatliche Strategie für den Einsatz und die Weiterentwicklung digitaler Hilfsmittel sowie für Informationen über die Funktionalitäten, Chancen und Risiken.

 

UPD Monitor mit neuen Erkenntnissen

Wie kann das deutsche Gesundheitssystem patientenorientierter werden? Kommen gesetzliche Reformen auch wirklich in der Praxis an? Auf Grundlage von mehr als 172.000 Beratungen hat die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) mit dem Monitor Patientenberatung eine Aufbereitung und Analyse der eigenen Beratungstätigkeit im Jahr 2020 vorgelegt und Antworten auf diese Fragen aus Patientensicht gegeben.

Everyday Mood Booster

Gestern endete die Homeoffice Pflicht

endlich wieder ordentliche Verhältnisse und kein laissez-faire mehr:

Good News

Anbieter:innen von Apps zur Unterstützung der Organisation des Pflegealltags gesucht!

Aktuell werden über eine öffentliche Ausschreibung in der Initiative Zukunftsregion Digitale Gesundheit (ZDG) des BMG Anbieter:innen von digitalen Versorgungsangeboten gesucht, welche Nutzer:innen bei der Organisation der Sorgearbeit bzw. des Pflegealltags unterstützen. Dies umfasst Apps oder Web-Anwendungen, die der Kommunikation und Vernetzung zwischen Personen mit Pflege- oder Unterstützungsbedarf und deren Angehörigen oder sonstigen an der Betreuung beteiligten Personen dienen.

Die durch den Anbieter bereitgestellten Freischaltcodes sollen ab Ende dieses Jahres über die ZDG an teilnehmende Personen in der Testregion Berlin-Brandenburg verteilt werden. Diese testen die Angebote und geben über eine Befragung Feedback, wodurch wertvolle Erkenntnisse aus der Praxis gesammelt werden. Interessierte Hersteller und Anbieter digitaler Versorgungsangebote sind herzlich eingeladen, an der öffentlichen Ausschreibung bis zum 30.07.2021 teilzunehmen.

Passen Sie auf sich und Ihre Mitmenschen auf!

Ihr hih-Team

Mehr Informationen finden Sie auf unserer Webseite

 
hih - health innovation hub
des Bundesministeriums für Gesundheit

Torstraße 223
10115 Berlin

info@hih-2025.de
+49 30 847 11 340

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