MDR-Frist offiziell um ein Jahr verlängert
Die Corona-Krise trifft aktuell alle Länder und Branchen hart. Vor allem in der Medizinbranche arbeiten die Unternehmen unter Hochdruck, damit allen Menschen geholfen werden kann. Dadurch ist es für viele Unternehmen schwer die Anforderungen der Medical Device Regulation (MDR) rechtzeitig zu erfüllen. Das Europäische Parlament hat nun der Verschiebung der Frist für die MDR Verordnung um ein Jahr zugestimmt. Allerdings sollten sich die Unternehmen trotz der Lage mit der MDR Einführung befassen. Neuer Geltungstermin ist der 26. Mai 2021.
"Datenschutz darf nicht zur Datenlähmung führen"
Wer wusste als Erster von der Corona-Pandemie? Welchen Beitrag können KI und Systeme wie eine „Corona-App“ zur Bekämpfung leisten? Und welches Modell macht das Rennen, wenn es um die Zukunft der Datennutzung geht? Ein Gespräch mit Thomas Ramge, Research Fellow am Weizenbaum Institut, anlässlich seines neuen Buches „postdigital“.
Wer hat vom Ausbruch der Pandemie als erstes erfahren?
Das waren gewiss die Ärzte in Wuhan, die zunächst vom chinesischen Staat mundtot gemacht wurden. Weniger bekannt ist, dass ein kanadisches Start-up namens BlueDot über Daten- und Textanalyse ungefähr eine Woche vor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) darüber informiert hat, dass in Wuhan eine Epidemie mit einem unbekannten Virus ausgebrochen ist, das sehr stark auf die Lungen schlägt. Am 31.12. 2019 hat das Start-up Alarm geschlagen. Taiwan, der unmittelbare Nachbar von China, hat danach sofort begonnen, Einreisende aus Wuhan auf Symptome zu untersuchen. Andere Länder in der Region wie Singapur und Südkorea folgten.
Lässt sich eine solche Pandemie mit Unterstützung von KI und Datenanalysen überhaupt bekämpfen?
Ja, aber weniger als erhofft. Wir leiden unter Datenarmut. Wir haben es mit einem unbekannten Virus mit unbekannten Informationen im Hinblick auf die Übertragungswege und einer sehr unsicheren Datenlage, wer infiziert und wer schon immun ist, zu tun. Das ist das genaue Gegenteil von der Datafizierung der Welt, über die wir seit 10 bis 15 Jahren reden. Solange wir die Daten nicht haben, nützen auch Algorithmen nichts, die sie auswerten können. Viele Datenwissenschaftler sind aktuell enttäuscht, wie wenig ihre Disziplin zur Lösung der Krise beitragen kann.
Bei der Eindämmung des Virus geht es auch um die Nachverfolgung von Kontaktpersonen. Die genannten asiatischen Länder setzen hier auf Tracking-Apps. In Deutschland soll im Mai eine „Corona-App“ vorliegen. Was kann sie leisten?
Tracing-Apps wurden in Asien sofort eingeführt, ohne dass dies zu Kontroversen in der Bevölkerung geführt hat, weder in China noch in den asiatischen Demokratien. Die Einwände gegen eine solche App waren gering, obwohl ihr Nutzen kaum sicher war. Dagegen liegt bei uns der Schwerpunkt der Diskussion nicht beim Nutzen solcher Systeme, sondern bei der Frage des Datenschutzes. Dabei sieht die europäische Datenschutzgrundverordnung explizit im Fall einer Epidemie vor, dass der Datenschutz eingeschränkt werden kann, wenn der Eingriff erforderlich und verhältnismäßig ist. Wir müssen uns zumindest die Frage stellen: Können Systeme wie eine „Corona App“ können mit einem 100%igen Datenschutz funktionieren? Und wären sie besser, wenn wir Kompromisse beim Datenschutz machten?
Sind nicht-demokratische Staaten effektiver bei der Bekämpfung der aktuellen Pandemie mit digitalen Mitteln?
Rollenmodell können allenfalls die asiatischen Demokratien Taiwan, Südkorea und Singapur sein. Dort ist die Einstellung, was ein Staat von seinen Bürgern wissen darf, natürlich auch eine völlig andere. In einer solchen Krise wie Corona müssen wir ideologiefrei diskutieren: Was nützt und was nützt nicht? Wir wollen beides: 100%igen Datenschutz und 100%igen Nutzen. Datenschutz darf nicht zur Datenlähmung führen.
Was können wir für die Zukunft aus der Coronakrise beim Thema datengestützter Entscheidungsfindung lernen?
In einer weltweiten Krise braucht es weltweite Kooperation. Wir brauchen früher und schneller Daten, um evidenzbasiert Entscheidungen treffen zu können, dann hätten auch ein klareres Bild, wie gut oder schlecht die ergriffenen Maßnahmen wirken. Wir wissen nach wie vor viel zu wenig über das Virus. Zum Beispiel, ob Kinder das Virus übertragen können oder nicht. Wüssten wir es, könnten wir Kita- und Schulschließungen anders diskutieren.
Nach der Pandemie ist vor der Pandemie?
Wenn „Covid-20“ kommt, müssen wir früher und härter reagieren können. Es geht darum kluges, menschliches Handeln mit datengestützter Technologie zu verbinden. KI-Systeme können uns helfen, einen Impfstoff zu entwickeln. Der eigentliche Kampf wird aber nicht in einem künstlichen neuronalen Netz gewonnen, sondern in der Petrischale.
Das vollständige Interview lesen Sie auf unserer Website.
Buchhinweis: postdigital: Wie wir künstliche Intelligenz schlauer machen, ohne uns von ihr bevormunden zu lassen. Murmann Verlag 2020
"Die Corona-Datenspende-App ist eine gute Generalprobe"
Frank Stratmann (@betablogr) ist ein RKI-Datenspender der ersten Stunde. Er arbeitet als Mentor und Wissensarbeiter mit Akteuren der versorgenden Gesundheitsunternehmen im Bereich Digital Health. Er berät die AOK Baden-Württemberg als Beirat Digitalisierung, arbeitet für Edenspiekermann an digitalen Lösungen und koordiniert bei Raylytic - einem Spezialanbieter für medizinische Datenautomation und Ökosystemen für klinische Daten - die Kommunikation in einem vom BMWi geförderten KI-Projekt. Mit uns sprach er über Nutzung und erhofften Chancen.
Du bist „Spender“ der ersten Stunde. Wieso warst du von Anfang an bereit, Deine Fitbit-Daten an das RKI zu spenden?
Schon seit Jahren behaupte ich, dass der Tag kommt, an dem wir Daten so selbstverständlich spenden werden, wie heutzutage Blut. Wobei die Blutspende auch heutzutage noch besser angenommen werden dürfte. Ich vermesse mich seit mehr als 20 Jahren selbst und bin zunächst einmal gespannt, ob die Fitbit Daten überhaupt eine Aussagekraft haben. Sicher wird die Evaluation auch für mich als Nutzer einige wichtige Rückschlüsse zulassen.
Wie kompliziert war die Anmeldung/ ist die Pflege der App?
Die kurzen Anlaufschwierigkeiten wegen angeblicher Ungültigkeit meiner Postleitzahl konnte binnen weniger Stunden geklärt werden und das Onboarding empfand ich als sehr einfach und nachvollziehbar. Man wird gut geführt. Tatsächlich läuft die App jetzt quasi im Hintergrund und ich schaue gelegentlich, ob ich auch wirklich spende. Da könnte man noch am Feedback arbeiten.
Wie viel Gedanken hast du Dir im Vorfeld über den Datenschutz gemacht?
Die letzten Jahre sehr viel und deshalb war das jetzt nicht mehr so anstrengend. Da wir alle betroffen sind, wäre das eine gute Gelegenheit für alle anderen, sich ebenfalls einmal konkret damit auseinanderzusetzen. Ich konnte schnell nachvollziehen, was man da von mir will und wie weit das geht. Ein gewisses Maß an Grundvertrauen bleibt nötig. Wichtig war mir, dass ich jederzeit der Nutzung meiner Daten widersprechen und meine Entscheidung auch wieder rückgängig machen kann. Datenschutz wird häufig sehr elitär diskutiert. Gut gemacht stecken in der Datenspende enormes Potenzial, die wir künftig nicht außer Acht lassen können.
Was sagst du zur aktuellen Diskussion rund um die Datenspende-App des RKI?
Mir war gleich klar, dass die App eine gute Chance ist für eine Generalprobe. Einerseits für die hinreichende technische Umsetzung. Andererseits für den gesellschaftliche Diskurs und natürlich zur Bedeutung von Datenspenden allgemein. Wenn das jetzt anlassbezogen mit der Bevölkerung trainiert wird, kann sich daraus ein neues Paradigma ergeben und die datengestützte Medizin kommt unter Berücksichtigung guter Ergebnisse und mit der Teilhabe der Menschen raus aus der Ecke der Spekulationen über das Für und Wider.
Was wäre für dich ein Killer-Argument für Deine weitere Spende?
Jegliche Unregelmäßigkeit - egal mit welchem Umfang - wäre Anlass, die Datenspende sofort zu stoppen. Natürlich kann man das selbst nicht immer umfänglich einschätzen. Zum Glück kennen wir berufene Stellen, die solche Vorhaben sehr kritisch begleiten. Wichtig wäre mir aber eben auch, ob insbesondere Fitbit Daten überhaupt sinnvoll genutzt werden können. Mit einer sehr subjektiv empfundenen, eher unregelmäßigen Dokumentation meiner Herzfrequenz kann ich mir vorstellen, dass auch falsche Rückschlüsse gezogen werden könnten, wenn daraus andere Parameter errechnet werden sollen. Hier bin ich - nicht nur als professioneller Beobachter - an weiteren Ergebnissen des Projekts sehr interessiert.
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