Handlungsempfehlungen für Intensivmediziner
In den vergangenen Tagen wurde im Zusammenhang mit der Kapazität von Beatmungsplätzen viel über Triagierung der Covid-19-Patienten gesprochen. Die Folge waren Unsicherheit und Ängste auf Seiten des medizinischen Personals.
Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, hat dazu aufgerufen, Ärzte nicht damit allein zu lassen, solche Entscheidungen treffen zu müssen. „Es müssen Standards gelten, so dass auch die Menschen in das Gesundheitssystem und die Ärzte vertrauen können. Alter, Herkunft, soziale Stellung, Behinderung, all das darf keine Rolle spielen.“ Der Deutsche Ethikrat hat nun Handlungsempfehlungen für Intensivmediziner herausgegeben, um Vertrauen und Rechtssicherheit zu schaffen.
Er wies auch darauf hin, dass es in Deutschland eine „große Solidaritätsressource“ gebe, die dafür sorge, die derzeitigen Einschränkungen des Alltagslebens zu verkraften. Wichtig sei jedoch, Kriterien zu bestimmen, die zu einer Lockerung der Maßnahmen führten. Ein solches Vorgehen steigere die Solidarität und wecke nicht den Eindruck, irgendetwas unterdrücken zu wollen.
Heilmitteltherapien per Video
Endlich hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nach den neuen Regelungen zur Abrechenbarkeit für psychotherapeutische Videosprechstunden auch einen Beschluss verabschiedet, nach dem Heilmitteltherapien per Video erbracht werden dürfen.
Um die Versorgung aufrecht zu halten, aber gleichzeitig so wenig Kontakte wie möglich in den Heilmittelpraxen zu haben, können die Therapeuten bestimmte Leistungen nun per Video erbringen. Das gelte etwa für Krankengymnastik, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie oder Ergotherapie, wie die KBV berichtet. Die Regelung gilt befristet für alle Behandlungen, die bis einschließlich 31. Mai 2020 durchgeführt werden.
„Initialzündung für die Telemedizin“
Vor zehn Tagen haben KBV und GKV-Spitzenverband die Begrenzungsregelungen für Videosprechstunden zunächst für das zweite Quartal aufgehoben. Fallzahl und Leistungsmenge sind nicht mehr limitiert – in der gegenwärtigen Situation ein wichtiges Element für die Regelversorgung körperlich und psychisch kranker Menschen, auch um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und einzudämmen. Viele Anbieter von Telemedizin stellen daher ihre Plattformen in dieser Krise kostenfrei zur Verfügung (Übersicht). Die Nachfrage ist enorm gestiegen.
Wir sprachen mit Prof. Dr. Dietrich Baumgart, Internist und Kardiologe, von der Gemeinschaftspraxis Preventicum in Essen über aktuelle Herausforderungen und künftige Potenziale der Videosprechstunde und Telemedizin.
Was sind Ihre Erfahrungen aus den vergangenen Tagen, wie reagieren die Patienten?
Die Sprechzeit ist zwar auf 10 Minuten begrenzt, wird dafür aber garantiert. Für viele ist die Videosprechstunde eine Art Hausbesuch. Vieles ist momentan auch eine Frage der Psychologie und damit der Kommunikation. Jeder möchte in dieser Ausnahmesituation Kontakt vermeiden, daher sind die Patienten für die Möglichkeit einer Videosprechstunde sehr dankbar. Der Beratungsanteil ist aktuell sehr hoch, da die Leute maximal verunsichert sind.
Sind die Nutzer eher jüngere und digitalaffine Patienten?
Aktuell ist es vor allem die Generation 60plus, die besorgt ist und per Videosprechstunde Beratung sucht. Ansonsten kommen die Nutzer aus allen Altersgruppen.
Welche Vorteile haben die Gespräche für Sie und Ihre Patienten?
Aus der Distanz, aber unter visueller Kontrolle, können beide Informationen übermitteln. Für den Arzt ist der visuelle Eindruck entscheidend, weil die Symptome je nach Alter der Patienten sich erheblich unterscheiden. Der Patient muss nicht extra anreisen und spart Zeit und Kosten. Wir können volle Wartezimmer vermeiden.
Wo stehen wir bei der Telemedizin in fünf Jahren?
Die Krise ist eine Initialzündung für die Telemedizin wie für die Digitalisierung der Medizin allgemein. Übertragung und Nutzung der Daten und damit ihre Verwertbarkeit werden zunehmen. Hier brauchen wir mehr grünes Licht und regulatorische Maßnahmen, um das Potenzial auch nutzen zu können, aber wir sind auf einem sehr guten, politisch unterstützten Weg. |